Hallo Andreas,
dl5mgd hat geschrieben:Ein entsprechendes Modem kann aber selbst gebaut werden. Auf der UT 118 werden nur Standardbauteilte verwendet; ob sich der Aufwand eines Selbstbaus lohnt wage ich zu bezweifeln, die Einzelteile dürften teurer sein als das fertige Produkt.
Das glaube ich nicht wirklich, wobei ich allerdings den doppelt so hohen Preis in DL als Referenz genommen hätte. Aber es war nicht mein Punkt, ein Industrieprodukt abkupfern zu wollen, sondern ein die Möglichkeit zu haben, _eigene_ Lösungen zu schaffen. Beispiel: alles, was dieses Modem macht, kann ein PC genauso gut. Mit einer Soundkarte am 9k6-Eingang eines FM-Funkgeräts könnte ohne weitere HW D-Star (oder ein ähnliches Verfahren) betrieben werden - wenn es sich um einen offenen Standard handeln würde. Das wären dann nach Deiner Rechnung 0 EUR.
Anderes Beispiel: Du betreibst ein Software Defined Radio. Das kann DRM dekodieren - dank Open Source Software. D-Star nicht. Der einzige Weg dazu wäre einen AMBE-Vocoder-Chip über USB mit den PC zu verbinden, um dort dann Mikrofon und Lautsprecher anzuschliessen. Der einzige Zweck des Vocoder-Chips ist es dann, die IP von DVSI zu schützen - sonst braucht man ihn für nichts.
FM wurde in den 50er Jahren eingeführt, mit Reaktanzmodulatoren mit Röhren. Wie lange wird D-Star Bestand haben?
dl5mgd hat geschrieben:Das Protokoll für D-Star selbst ist im Wesentlichen schon bekannt
Die Betonung liegt auf "im wesentlichen", das heißen sollte "in den Grundzügen". Es sind einige Punkte veröffentlicht, doch von einer Spezifikation, die eine eigene Implementierung ermöglicht, ist das noch ein gutes Stück entfernt. Wahrscheinlich ist der Rest durch fleißiges Reverse Engineering herauszufinden, aber das verstehe ich nicht unter "offen".
Wenn ich es durch ein Beispiel belegen soll:
"(1) Modulation methods
GMSK
QPSK
4FSK
(2) Data rate
Maximum of 4.8 Kbps"
Das sind die ersten Zeilen echter Inhalt der sogenannten Spezifikation. Mehr steht zu diesem Themenkreis aber auch an anderer Stelle nicht drin.
- Welches der drei genannten Modulationsverfahren wird denn nun wirklich verwendet (ja, ich weiss, es ist GMSK, aber warum steht es dann nicht so da?)
- welches BT-Produkt wird verwendet?
- wie werden "0" und "1" auf die beiden Frequenzen abgebildet? - findet eine differentielle Codierung statt?
- wird im Empfänger eine Kanalentzerrung durchgeführt, oder ist diese optional, oder nicht vorhanden?
- welche Datenrate wird wann verwendet (ich nehme an, immer 4k8?), wie sind die Toleranzen (welchen Fangbereich muß eine Taktrückgewinnung haben)?
Das sind ein paar der Fragen zu Punkt 1.1.2 der "Spezifikation", die vor einer Implementierung zu beantworten wären.
Wenn dann jemand schreibt "..., obwohl es sich beim verwendeten Protokoll um ein offenes und somit für jedermann zugängliches Protokoll handelt, ...", zeigt das nur, das er das Dokument noch nicht mit eingeschaltetem Gehirn gelesen hat.
dl5mgd hat geschrieben:man kann ja auch den Code für den verwendeten PIC16F877 lesen, da er als Assembler-Datei vorhanden ist.
Dieser Prozessor hat mit der Modemfunktion nichts zu tun, es ist ein Bediengerät für das proprietäre ICOM-Modem, das es erlaubt, dieses zu parametrieren (z. B. das eigene Rufzeichen einzugeben). In D-Star-vorbereiteten ICOM-Geräten übernimmt das Gerätebedienteil diese Aufgabe. Nochmal: mit der Modemfunktion selbst hat er nichts zu tun.
dl5mgd hat geschrieben:Leider hat es die Amateurgemeinde versäumt ein eigenes System der digitalen Sprachübertragung zu entwickeln. Ansätze dazu waren vorhanden;
Da ist etwas dran, und auch nicht.
Einerseits wünschen wir einen offenen Standard, andererseits ist klar, daß angesichts des erdrückenden Anteils von Industriegeräten im Bereich der VHF/UHF-Nahbereichskommunikation (der bisherigen FM-Geräte) Eigenbaulösungen alleine sich am Markt nie durchsetzen werden. Ohne die japanische Afu-Geräteindustrie geht es also nicht. Der einsame Bastler im Keller wird nicht genug Motivation haben, wenn er genau weiß, das sich sein System sowieso nie durchsetzt.
Wenn eine Schuld zuweisbar ist, dann der JARL, die ja anscheinend beteiligt war (ich weiss aber nicht, wie früh). Oder den Amateurfunkverbänden insgesamt (d.h. letztlich der IARU), weil sie nicht selbst rechtzeitig die Initiative ergriffen haben, die Geräteindustrie anzusprechen und für eine gemneinsame Vorgehensweise ins Boot zu bekommen. Der DARC alleine wäre dafür aber zu schwach gewesen.
Ansätze dazu gab es schon. Ich war als Vertreter des damaligen DARC-Referats Zukunftstechnologien bei der Ham Radio 2001 (?) bei einem "Elefantentreffen" mit komplettem DARC-Vorstand, ARRL-Präsident, IARU-Präsident und noch ein paar weitere Honoratioren, wo das Thema digitale Sprache auf KW diskutiert werden sollte. Die Idee dazu kam m. W. von Gaston Bertels, dem damaligen UBA-Präsident.
Experten waren leider nicht so viele anwesend wie Präsidenten.
Ich hatte dort darauf hingewiesen, daß digitale Sprache auf KW wahrscheinlich relativ uninteressant für den Amateurfunk sei, wegen der vorherrschenden Betriebsweise, hingegen für UKW-Sprechfunk ein wichtiges Thema. Diese Ansicht wurde auch als Vorschlag akzeptiert. Passiert ist dann aber nie mehr etwas, ich habe jedenfalls nie wieder von dem Thema gehört. Das Referat Zukunftstechnologien wurde einige Zeit später vom jetzigen DARC-Vorstand sang- und klanglos aufgelöst.
Ob der grundsätzlichen und weltweiten Bedeutung eines neuen Nahbereichsstandards hätte eine Standardisierung wie D-Star nicht in einem kleinen Kreis innerhalb JA festgelegt werden sollen, sondern die JARL hätte via IARU andere Afu-Verbände einladen sollen und dann möglicherweise einen Wettbewerb für Vorschläge eines solchen Standards ausschreiben. Ein Komitee von Fachleuten unter Beteiligung aller - natürlich insbesondere auch der Afu-Geräteindustrie - hätte sich dann für den besten Vorschlag (oder eine noch bessere Kombination der eingereichten Vorschläge) entscheiden können und diesen dann im Konsens verabschiedet. Das schließt ein, das so ein Vorschlag auch von der Geräteindustrie selbst hätte kommen können.
Wer will (die Minderheit der Funkamateure), könnte den Standard selbst umsetzen, alle anderen kaufen Geräte in Japan.
Ein solcher Standard wäre technisch besser geworden, es gäbe heute schon viel mehr Digitalrelais, und ICOM hätte viel mehr Digital-Handfunkgeräte verkaufen können. Solange man PR nur mit einem TAPR-TNC für 400$ machen konnte, ohne Netzwerkfunktion, ist es auch nicht populär geworden. Wäre GSM kein offener Standard, wie würde die Mobiltelefonwelt heute aussehen?
Aber das ist Geschichte, es ist anders gelaufen.
Gruss Henning